Mit TUNGUSKA sendet Theater Aggregate ab 25.11. fünf Schauspieler*innen auf eine Expedition ins tiefste Sibirien – ins Sibieren der Fantasie:
Was geschah in Tunguska?
Im Jahr 1908 verwüstete eine gigantische Explosion ein Gebiet von 2000 Quadratkilometern in Sibirien – allein 60 Millionen Bäume waren radial umgestürzt und verbrannt. Das Tunguska-Ereignis war eine Naturkatastrophe unvorstellbaren Ausmaßes.
Wissenschaft & Verschwörung
Umso verwunderlicher, dass dieses Ereignis bis heute wissenschaftlich nicht erklärbar ist. Und umso mehr ranken sich Verschwörungsmythen oder parawissenschaftliche „Erklärungen“ – wie geheime Atomtests, UFO-Abstürze oder wanderende schwarze Löcher – um die Explosion. Gerade das ist die Folge-Katastrophe von Tunguska, da sie Programm der Moderne erschüttert: Die Moderne will die Natur lückenlos wissenschaftlich erkennen und beherrschen – und bezieht ihre Legitimationn aus dem festen Glauben, das dies prinzipiell möglich sei.
„Das katastrophische Potenzial des Tunguska-Ereignisses liegt […] in seiner beharrlichen Rätselhaftigkeit. Das Fehlen einer haltbaren Erklärung erschüttert die moderne Wissensproduktion in ihren Grundfesten.“, wie Solvejg Nitzke schreibt, die zur Tunguska-Katastrophe das Buch „Die Produktion der Katastrophe“ im transcript-verlag veröffentlicht hat.
Die Unerklärlichkeit sät Zweifel an der (Natur-)Wissenschaft und ihren Methoden, und dieser Zweifel wird auch auf berichtende, journalistische Medien projiziert. Unanfechtbare Tatsachen sollen anfechtbar gemacht werden. Das Tunguska-Ereignis bildet somit auch eine Folie für Mechanismen, die wir aus aktuellen Diskursen kennen.
Auf der Bühne
Theater Aggreagte spielt in Tunguska mit dem Reiz, das Unerklärliche weiterzuspinnen, zu untersuchen, welche Geschichten Menschen trotz aller Widersprüchlichkeit mitreißen, und warum. Die Spieler*innen reisen in ihren imaginierten Expeditions-Berichten an die Grenzen zur Logik bis zum Mythos. Ein Dschungel aus Hypothesen, Narrativen und Figuren.
Ebenso ins offene Gelände wagt sich der Sound-Künstler Wieland Krause mit live entstehenden Klanglandschaften und Field-Recordings, Aufnahmen aus der Natur, die ein akustisches Bühnenbild des Naturereignisses evozieren.
Es wird, laut Regisseur Silvio Beck, eine Theater-Performance, „in der die Spieler*innen schlussendlich selbst in den Weiten Sibiriens zu verschwinden drohen.“
TUNGUSKA – eine transsibbirische Theater-Expedition
Premiere / UA 25.11. | Theater Aggregate
26.+30.11. | 02.+03.+07.+09.+10.12.
jeweils 20:30 Uhr | WUK Theater Quartier, Holzplatz 7a
Ins Sibiren der Fantasie: Eine 5-köpfige Expedition ist der unerklärlichen Tunguska-Katastrophe auf der Spur!
Auszüge Tunguska:
Noch Tage später, oder vielmehr Nächte später, also nächtelang nach dem was da in Tunguska geschah, raschelten in London (ja in London) überall auf den spärlich beleuchteten Straßen und in den sonst stockfinsteren Gassen, auf den kalten Dächern und in den stinkenden Hauseingängen, in den dunkelsten Hinterhöfen und auf den glitschigsten Booten am Ufer der Themse, und auf den weitesten und windigsten Plätzen und… jedenfalls raschelten überall in London mitten in der Nacht die Zeitungen.
Denn die Menschen verließen (nach Mitternacht) ihre Wohnungen, schlugen ihre Tageszeitungen vom Vortag auf und begannen (so als wollten sie sagen: he, seht her, was in diesen seltsamen Nächten so alles möglich ist) zu lesen. Denn über ihnen schwebten (mitten in der Nacht) die schönsten und hellsten Wolken (wie von Innen erleuchtete silberne Ballons, ja wie von Innen erleuchtete silberne Ballons) und die ganze Stadt strahlte in ihrem Licht, wurde erleuchtet und…“
„Ihr Herz sei gerast, und sie habe kaum noch atmen können, weil es ihr die Brust zugeschnürt habe. Sie habe gespürt, wie ihr das Licht durch den Schädel in ihr Hirn fahre, als wäre ihre Fontanelle geöffnet worden, als wäre ein drittes Auge entstanden in der Mitte ihres Kopfes, ein neues Auge das zum Himmel gerichtet war, dass sie nicht habe schließen können und das heiß und hell und heiß und hell und heiß und hell…”
Neben Tunguska bietet Theater Aggregate weiteres Programm im WUK Theater Quartier:
Performing Hanns Eisler
01.12. | Ingala Fortagne & Martin Steuber
20:30 Uhr | WUK Theater Quartier, Holzplatz 7a
Mit Neugier, Respekt und Mut zu eigener Interpretation: verblüffend unkomplizierte, kunstvolle Arrangements von Hanns Eisler für Gesang und E-Gitarre.
4+2 STEREO – Soundperformance
08.12. | 4+2 STEREO
20:30 Uhr | WUK Theater Quartier, Holzplatz 7a
Live entstehen hybride Soundlandschaften, die Hörgewohnheiten kräftig durchspülen: Field Recordings, Samples, Synthesizern und analoge Klangelemente.