Helge Schmidt im Interview zu „KREBSMAFIA“

You are currently viewing Helge Schmidt im Interview zu „KREBSMAFIA“
  • Beitrag veröffentlicht:8. Mai 2023

„Und die, die gesund sind, wollen nichts davon hören!“

Helge Schmidt spricht im Interview mit Mereth Garbe über die Produktion »DIE KREBSMAFIA« und die Recherchen dahinter. Am 26. und 27.05. ist das Stück bei uns im WUK Theater Quartier zu sehen.

Mereth Garbe: Guten Morgen Helge! Du bist gerade auf dem Weg zum Zug. Wie geht es dir?

Helge Schmidt: Guten Morgen! Danke, Gut. Ich bin ja noch in dem Alter, wo ich mir keine großen Sorgen um meine Gesundheit mache. Obwohl es jetzt schon anfängt, dass die Krankenkasse Vorsorgeuntersuchungen übernimmt. Und so ganz stimmt das auch nicht. Für KREBSMAFIA haben wir uns mit Krebsmedikamenten beschäftigt. Und im Probenprozess haben wir uns natürlich auch gefragt, was das selbst mit uns macht. Und dann sind wir alle nach und nach privat zur Vorsorge gerannt und haben uns darüber ausgetauscht.

Was das Thema mit uns macht. Was das mit uns zu tun hat. Eine persönliche Verbindung finde ich sehr wichtig für eine tiefgreifende Auseinandersetzung. Es braucht einen Berührungspunkt, das eigene Interesse. Was hat #gesundsein mit dir zu tun?

Krankheit ist eigentlich nicht Thema. Klar, wenn die Kinder krank sind, schlägt das natürlich auf die Verfügbarkeit bei der Arbeit. Dann müssen wir aushandeln, wer zu Hause bleibt. Kompromisse machen. Das geht allen anderen in allen Arbeitsbereichen so. Meine Freundin ist Schauspielerin. Für uns beide heißt es dann, nicht proben. Da kommt mir vor allem das große Ganze, das System in den Kopf. Gendermedizin zum Beispiel oder die Kapitalisierung des Gesundheitswesens. Krude Berechnungspauschalen, wo Ärzt:innen und Pfleger:innen zu viel auf eigene Kosten machen müssen, weil es das standardisierte Zeitkonto überschreitet. Diese Berechnungstabellen mit 7minütiger Behandlung oder die Aufschlüsselung der Pflege von Waschen, Anziehen, Essen im Minutentakt – da ist kein Platz für ein Gespräch.

Ja, wie wichtig das Soziale für die Gesundheit ist, wird gern unterschätzt. Und Care-Arbeit eh. Und ist schwerlich zu beziffern. Um vielleicht eine Erlösungsfrage zu stellen: Was fehlt dir?

Wie der Apotheker Dr. Franz Stadler (Medikamenten Monopoly, 2020) schon in sagte: Es ist super schwierig Aufmerksamkeit für solche Themen, wie Gesundheitswesen, zu bekommen, weil es meistens nur die interessiert, die gerade in genau diesem Bereich krank sind. Und die, die gesund sind, wollen davon nichts hören. Das ist irgendwie verständlich. Und macht die Sache kompliziert.

Was hat das alles mit deiner Kunst zu tun?

Mein Team und mich interessieren gesellschaftspolitische Themen. Natürlich wollen wir ansprechende Kunst machen. Aber wir merken auch, dass in den Nachgesprächen zu unseren Stücken vor allem das Thema besprochen wird. Solch ein Forum ist uns sehr wichtig geworden. Hier erleben wir, wie die Menschen aus dem Publikum sich stärker mit dem Thema auseinandersetzen, nachdenken. Vor allem auch, dass sie das Thema auf ihre Weise weiterbearbeiten. Das ist also etwas, das wir mit unserer Kunst anregen können. Ich frage mich zum Beispiel, warum keiner die Credit Suisse anzündet, obwohl sich dort erst Boni in Millionenhöhe ausgezahlt und dann die Insolvenz angemeldet wird, die Zulasten der Gesellschaft geht…

Das Private ist politisch. Und im Theater spielt Politik eine große Rolle. Vielen Dank für das Interview, Helge! Wir freuen uns sehr auf Die Krebsmafia und euch – und die Nachgespräche!

Gern, wir freuen uns auch sehr auf den Besuch im WUK Theater Quartier. Als gebürtiger Schweriner freue ich mich umso mehr. Es ist auch meine 1. Station in Ostdeutschland.

DIE KREBSMAFIA

Helge Schmidt & Team verweben investigative Recherche, Krebstagebücher und Expert:innen–Interviews zu einem Theaterabend über das
skrupellose Milliardengeschäft. Unnötige Chemotherapien, abgelaufene und unterdosierte Medikamente. Die Opfer: Patient:innen und das Gesundheitssystem selbst. Eine künstlerische Annäherung an ein sensibles und emotionales Thema. Publikum und Schauspieler:innen
begegnen sich in einem klinischen Wartesaal.

Freitag, 26.05. | 20:30 Uhr | Halle-Premiere
Samstag, 27.05. | 20.30 Uhr
WUK Theater Quartier, Holzplatz 7a, 06110 Halle (Saale)

www.wuk-theater.de/karten
10€ / 17€ / Soli-Ticket 25 €
Freie Preiswahl!

Helge Schmidt, aufgewachsen in Glückstadt (Elbe), studierte Theaterwissenschaft, Psychologie und neuere deutsche Literatur. Nach ersten Regieerfahrungen im Studierendentheater der LMU (München), Regieassistenzen und eigenen Regiearbeiten am Thalia Theater in Hamburg, geht es für ihn immer wieder in die freie Szene in Hamburg, zum Beispiel ans LICHTHOF Theater. Am bekanntesten ist wohl „Cum-Ex Papers – Eine Recherche zum entfesselten Finanzwesen von ihm und seinem Team, die zu Heidelberger Stückemarkt eingeladen wurde und ihm den FAUST-Preis als Beste Regie einbringt. Im WUK Theater Quartier wird er erstmals mit Die Krebsmafia zu Gast sein.