Friedlaender und Marcks: Eine Auseinandersetzung mit Antisemitismus – damals und heute

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  • Beitrag veröffentlicht:6. Juni 2022

Ein Abend über Friedlaender, Marcks und Antisemitismus – und besonders über uns und heute

 
Am 17.06 feiert das WUK Theater Quartier die Uraufführung und Premiere von
„The world at large barely moves me / Schade, du hast so ’ne komische Weltanschauung“
ein Abend über Marguerite Friedlaender und Gerhard Marcks.
 
Die Produktion thematisiert das Wirken der beiden in Halle (Saale) und die bisher kaum bekannte, antisemitische Gesinnung Gerhard Marcks‘. Als eng verbundene Freunde steht ihre Auseinandersetzung dazu im Fokus, besonders in der Zeit nach der Shoa. Das Stück weist allerdings über die Personen und ihre Zeit hinaus und thematisiert den Antisemitismus in unserer heutigen Gesellschaft und sowie den antisemitischen Anschlag in Halle am 09. Oktober 2019.
 
Marguerite Frieadlaender und Gerhard Marcks in Halle
Beide Künstler*innen haben von der Burg Halle aus das deutsche Kunsthandwerk entscheidend geprägt und wichtige Impulse in der Region und landesweit gesetzt, die bis heute nachwirken. Marguerite Friedlaender wurde an der Burg Halle zur ersten weiblichen Töpfermeisterin und entwickelte eigene keramische Sortiments wie das bekannte Service „Halle“, bevor sie 1933 von den Nationalsozialisten entlassen wurde. Gerhard Marcks war von 1928 bis 1933 Rektor der Burg Halle, bevor er von den Nationalsozialisten abgesetzt wurde.
 
Beide verband eine tiefe Freundschaft und die gemeinsame Erfahrung des politischen Drucks der Nazis. Die Bewertung dieser Erfahrung ist jedoch ambivalent: Marguerite Friedlander musste als Jüdin Nazi-Deutschland verlassen. Gerhard Marcks blieb – trotz seiner Entlassung durch die Nationalsozialisten. Denn auch er war geprägt von antisemitischen Vorurteilen – Hitler und die NSDAP waren ihm jedoch schlicht zu vulgär, weshalb er nie in die Partei eintrat oder die Bewegung unterstützte. Seine antisemitische Gesinnung ist auch aus diesem Grund bis heute kaum öffentlich thematisiert. Gemeinsam erlebten Friedlaender und Marcks jedoch, wohin der Antisemitismus im Dritten Reich führte – wir und sie fragen uns:
Wie können wir vor diesem Hintergrund überhaupt eine kritische Auseinandersetzung miteinander führen?
Ist „Schade, du hast so ’ne komische Weltanschauung“ nur das resignierte Ende einer Auseinandersetzung?
 
Bezug zum heutigen Antisemitismus
Hier schlägt die Produktion den Bogen in unsere heutige Zeit: Wir haben erlebt, dass Freunde, Verwandte, Bekannte und Unbekannte Narrative wiedergaben oder -geben, die sich offen oder verdeckt an antisemitisch motivierten Verschwörungserzählung bedienen. Der antisemitische, fremdenfeindliche Anschlag in Halle am 9. Oktober 2019 zwingt uns, anzuerkennen, dass Antisemitismus nach wie vor ein gesamtgesellschaftliches Problem ist.

Hintergrund der Koproduktion
Für das WUK Theater Quartier ist das Stück von besonderer Bedeutung, da es eine bundesländerübergreifende, künstlerische Zusammenarbeit ist: Es ist die erste Koproduktion, die wir als Mitglied im Netzwerk Freier Theater mit Eleganz aus Reflex (Frankfurt a.M.) realisieren und fördern dürfen.
Mit dem Bewusstsein, dass subversive Kritik von Gegenwart nicht ohne den Blick in die Vergangenheit auskommt, setzt sich die Gruppe in ihren Stückentwicklungen mit historisch-politischen Themenkomplexen auseinandersetzt. Ziel ist es, für den jeweiligen Themenkomplex eine eigene Erzählform und spezifische Ästhetik zu entwickeln.
Wir freuen uns, dass unter der Leitung der gebürtigen Hallenserin Carolin Millner (Regie) drei Mitglieder aus dem halleschen freien ensemble p&s – Elsa Weise (Figurenbau), Benjamin Müller (Spiel) und Sylvia Eck (Regieassistenz) – beteiligt sind und so eine überregionale Zusammenarbeit ermöglicht wird.
 


„The world at large barely moves me / Schade, du hast so ’ne komische Weltanschauung“.

Weitere Vorstellungen:
Freitag, 17.06.22 – 20:30 Uhr
Samstag, 18.06.22 – 20:30 Uhr
Freitag, 15.07.22 – 20:30 Uhr
Samstag, 16.07.22 -20:30 Uhr
Mittwoch,  10.08.22 -20:30 Uhr
Freitag, 12.08.22 -20:30 Uhr

 
Text, Regie: Carolin Millner
Dramaturgie: Lisa Schettel
Figurenspiel & -bau: Elsa Weise
Bühne, Kostüm, Licht: Maylin Habig + Nils Wildegans
Musik: Jacob Bußmann
Spieler*innen: Sarah Gailer + Benjamin Müller
Produktionsleitung: Jasna Witkoski
Regieassistenz: Sylvia Eck